1. February 2012

Heveling und Lanier…

Filed under: Freiheit,Piraten,Politik — Tags: , , — zettberlin @ 00:45

… Experten unter sich.

Ganz stilecht habe ich die Kunde von Herrn Ansgar Hevelings Sermon an die von ihm so genannte “Netzgemeinde” per SMS bekommen. Viele meiner Freunde treiben sich im Internetz herum aber SMS mit Links zu wilden, interessanten Webseiten bekomme ich nur von einem. Also selten.
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Bin ich trotzdem ein Angehöriger der geheimnisvollen Gemeinde, gar beteiligt an der Revolution des Web 2.0, die Ansgar in seinem Gastkommentar beim Handelsblatt an die Wand malt? Vielleicht, vielleicht auch nicht aber ich kenne mich wohl ein bisschen aus. Nicht so gut wie Markus Beckedahl aber ich weiß, wie man im Internetz schnell herausfindet, dass sich sein Nachname hinten mit “ahl” und nicht bloß mit “al” schreibt.

Ansgar Heveling zitiert gerne mal einen Experten, wenn es von dem etwas zu zitieren gibt, das gut klingt und in die Welt von Ansgar Heveling hineinpasst. Da wäre zum Beispiel das schöne Wort “digitaler Totalitarismus”. Dasselbe hätte Herr Heveling gerne von einem Jaron Lavier entlehnt. Nur leider kennt niemand einen Herren dieses Namens. Allerdings lebt einer, der Jaron Lanier heißt. Dieser nun hat in einem Aufsatz und in einem Buch mal von sowas gesprochen, allerdings nannte er das “cybernetic totalitarianism” was ungefähr das Gleiche ist aber eben nicht das Selbe. Nun ist der Reiz an einem Zitat ja auch, dass es etwas von der Sprechweise des Zitierten in die Sprache des Zitierers streut und deshalb zitiert man in aller Regel wohl doch eher wortwörtlich.

Aber Ansgar Helveling hat ja auch den Namen von Jaron Lanier nicht wortwörtlich genommen und vielleicht kennt er ja auch einen Herrn Lavier, der tatsächlich mal von “digitalem Totalitarismus” geredet hat.

Genug davon — alle Welt hat schnell herausgefunden, dass Herr Helleving von den Leuten und Ereignissen, auf die er sich beruft, genausowenig Ahnung hat wie vom Internet. Von der Sache also, über deren zukünftige Entwicklung er sich im Handelsblatt ausführlich äußert und auf die er als Mitglied der Enqete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Bundestags einen gewissen Einfluss haben könnte.

Jedenfalls wird er nicht nur mit einem Trommelfeuer aus berechtigt hämetriefender Kritik eingedeckt und selbst in seiner eigenen CDU/CSU steht er so ziemlich alleine da. Immerhin die stellvertretende Generalsekretärin der CSU hat eine bemerkenswert unzweideutige Erwiderung auf seinen Erguss ebenfalls auf der Handelsblatt-Seite zurückgelassen.

Jetzt bin ich so naiv zu fragen, was Helverding mit dem ganzen Unfug allgemein und dem Zitieren von Leuten, deren Namen er sich nicht merken kann, speziell, zu bezwecken versucht.

Meine Hypothesen zum digitalen Hevelingismus

Allgemein will er sich wichtig machen. Er ist ein kleiner Hinterbänkler aus einer katholischen Kleinstadt, der in schlecht besuchten Bundestagsdebatten Anträge der Linken zur Beschränkung von Abmahnkosten zurückweisen darf. Dabei zappelt er etwas ratlos mit den Armen und spielt sich die ganze Zeit am Manuskript und redet hintereinander weg. So leidenschaftslos und schwammig wie es ein durchschnittlicher Volljurist drauf haben sollte. Damit bringt man es nicht weit, auch dann nicht, wenn man schon im Bundestag hockt, bevor der 40ste Geburtstag einem mahnend auf die Schulter geklopft hat.

Also muss ein schön scharfes Thema her, zu dem man eine schön scharfe Debatte anstoßen kann und schon kommen die überregionalen Zeitungen und vielleicht sogar ein Fernsehteam und wollen wissen, wer Ansagar Hässleving ist. Und dass sie es wissen wollen ist auch dann ganz toll, wenn die Antwort lautet: “ein inkompetenter Wichtigtuer” oder “ein langweiliger Hinterbänkler, der gerade seine Mediengeilheit auslebt”.

Damit jemand nach einem fragt, muss man wer sein. Bundestagsabgeordneter ist schon ein bisschen was aber es reicht natürlich nicht. Auch die Paarhundert im Reichstag sind schon Masse, aus der man sich irgendwie herausheben muss. Das tut man am besten, indem man in einer spektakulären Aktion bekennt, dass man auf irgendeine Weise etwas Besonderes ist. Ein Generalangriff auf die “Netzgemeinde” aus Anlass der jüngsten Entwicklungen in der amerikanischen Gesetzgebung ist bestimmt spektakulär genug, dass ein paar Leute gucken, was denn da passiert und dann fragen, wer das eigentlch ist. Das “wer” ist wichtig. Ein Journalist muss begründen, warum er seine Leser einem Interviewpartner zuhören lässt und dass er etwas gemacht hat, reicht dazu nicht. Die Figur muss auch etwas darstellen, von dem irgendwie Nahrhaftes erwartet werden darf. Wenns geht, sollte eine Person, die sich mit Internetkontroverse profiliert, irgendwie als sowas wie ein Experte auf genau diesem Gebiet gelten.

Womit wir wieder bei Lanier/Lavier und seinem Zitierer sind. Warum hat Hevelving Lanier zitiert, obwohl er diesen gar nicht kennt und sich wohl kaum die Zeit genommen hat, eines von dessen Büchern zu lesen? Ich denke, weil Lanier tatsächlich ein Experte ist und weil Helfing gehört hat, dass dieser Experte irgendwie auch nicht so gut auf Wikipedia zu sprechen ist. Und damit war Lanier die ideale Beute für einen, der sich als Experte präsentieren möchte, indem er geläufig von einem richtigen Experten redet.

Er hat nicht geschrieben:

Der Computerpionier und Grafiksoftware-Experte Jaron Lanier

Wie einer, der sich mit Vorsicht und Bescheidenheit einem Thema nähert, das er nicht sehr gut kennt. Er hat geschrieben:

…wie es Jaron Lavier genannt hat

(Wortwörtlich kopiertes Zitat aus dem Gastbeitrag für das Handelsblatt)

Er spricht wie einer, der mit Leuten redet, die wissen, wer gemeint ist, wenn der Name eines Experten erklingt. Und damit präsentiert er sich selbst als Experte. Als einer, der es nicht für nötig hält, eine Person näher zu beschreiben, die doch wohl jeder im Kreise der Experten schon am Namen erkennen kann(wenn man diesen richtig schreibt).

Was für eine elende, peinliche Kreatur. Was für eine unerträgliche Arroganz — Sie glauben also, Sie hätten es nicht nötig, wenigstens die Namen Ihrer Zitatlieferanten kurz zu überprüfen, bevor sie diese zu Ihrer eigenen Legitimierung heranziehen, Ja?

Das, Herr Heveling, ist genau die Geisteshaltung, die Sie unablässig den Netzbenutzern unterstellen: Beliebigkeit, moralische Gleichgültigkeit, Mangel an Respekt und Ehrgefühl, Faulheit. Sie saugen am Nimbus einer Person, die tatsächlich etwas geleistet hat, ohne auch nur deren Namen den gebührenden Respekt zu erweisen. Um Leute hinters Licht zu führen, die von all dem, zu dem Sie sich apodiktische Urteile und groteske Prognosen erlauben, mehr verstehen als Sie sich in zwei Jahren anlesen könnten.

Aber wen wunderts: war nicht Guttenberg auch durch das moralische Fegefeuer eines deutschen Jurastudiums gegangen?
Heveling entblödet sich nicht der Westdeutschen Zeitung zu erzählen:

Ich würde meinen Gastbeitrag wieder genau so schreiben und veröffentlichen

Mit allen sachlichen Fehlern, Herr Heveling?

Sic Transit

Ansgar Heveling hat ein Abitur in Altgriechisch, er ist das, was man allgemein als “gutbürgerlich” bezeichnen würde. Und er benimmt sich, wie es sich kein emporgekommener Prolet jemals erlauben würde. Dieter Bohlen mag ein Bildungsferner sein aber er weiß, wo seine Grenzen sind, Leute wie Heveling wissen das nicht. Sie saugen ihre als Klassenbewusstsein missverstandene dümmliche Arroganz aus dem längst verdorrten Kadaver des großdeutschen Bildungsbürgertums. Diese kraftlosen, weltfremden, schizophrenen deutschen Rechtsreaktionäre stützen sich allen Ernstes auf die Ideale des Preußentums, der Aufklärung und was noch alles und sind nicht in der Lage, einen Namen korrekt abzuschreiben.
Weil sie es nicht nötig haben. Weil sie auch so gut zurecht kommen. Weil sie mit einem goldenen Löffel im Maul geboren werden oder sich denselben, durch Meisterleistungen der Anpassung an jeden Mist, ins Maul gesteckt zu bekommen zu verdienen wissen.

Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra?

Und die Antwort:

Quamdiu quisquam erit, qui te defendere audeat, vives

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass ich des Lateinischen durchaus nicht mächtig bin. Allerdings vermag ich eine Übersetzung zu recherchieren, zu lesen und korrekt zu kopieren. Und ich möchte mich hier auch nicht als Bewunderer Ciceros präsentieren. Cicero war wohl sehr wahrscheinlich ein verschlagener, rücksichtsloser Machtmensch, also einer, dem die Hevelings dieser Welt nacheifern. Aber er war auch eine begnadeter, geschickter Redner und mit reichlich Intelligenz und Bildung ausgestattet, was den Hevelings dieser Welt eher fremd sein dürfte.

Heveling entblödet sich übrigens auch nicht, auch die französische Revolution zum Zeugen seiner Thesen anzurufen. Da sie schon mal da ist: Das, was die französische Revolution für machthungrigen Kleinadel übrig hatte…

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Fitting perfectly well into the colours of a meadow since the late Cretaceous. Some 130 million years of learning can do wonders, methinks...