7. August 2010

Der giving pledge der Milliardäre und Ozzy Osbournes schwarzer Regen

Filed under: Allgemein,Freiheit,Kunst,Politik — Tags: , , — zettberlin @ 20:19

Seit Anfang August geht ein Raunen durch die deutschen Medien: die amerikanischen Superreichen, fiese, eiskalte Geldraffmaschinen allzumal, sind scheinbar doch lieb. Bill Gates und Warren Buffet haben ihre Milliardärs-Kollegen angerufen und gebeten, doch zu versprechen, wenns geht wenigstens die Hälfte Ihrer Vermögen der Wohltat zu widmen. Und 40 kapitale Kapitalisten haben schon unterschrieben und artige Briefe an die Webseite {lhttp://thegivingpledge.org|thegivingpledge.orgl} gesandt.

Was für eine Meldung! Der Spiegel ist platt:

{l http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,710192,00.html| spiegel.de/wirtschaft/soziales l}


Hamburg – Es ist ein beispielloser Schritt: 40 Milliardäre in den USA haben an diesem Mittwoch zugesagt…

Nun gut, beispiellos — sicherlich haben wir noch nicht sehr oft eine vergleichbare Öffentlichkeitsarbeit gesehen. Erstaunlich ist allerdings auch, dass kaum ein Journalist darauf hinweist, dass es dabei zumindest bis jetzt nicht darum gehen kann, plötzlich weitere 50% der Milliardärsvermögen einzusammeln. Die meisten Berichte weisen nicht darauf hin, dass fast alle auf der Liste bereits seit vielen Jahren einen mehr oder weniger großen Teil ihrer Vermögen in als wohltätig registrierten Stiftungen eingebracht haben. Und kaum einer macht es unter 90%.

Und warum? Ein Grund ist sicher die steuerliche Begünstigung, die wohltätige Stiftungen in den USA genießen. Während erhebliche Einkommen und Bankkonten in Übersee durchaus spürbar besteuert werden, ist das Stiftungswesen sehr viel besser als bei uns gestellt. Private Wohltätigkeit und Kulturförderung hat in den USA eine jahrhunderte alte Tradition. Institutionen wie die berühmten Kunstmuseen und Opernhäuser in den USA bekommen so gut wie keine staatlichen Förderungen und haben trotzdem Budgets, von denen unsere vergleichbaren Einrichtungen nur träumen dürfen. Dale Carnegie sagte: “Wer als reicher Mann stirbt, stirbt in Schande.” Und die meisten Reichen in Übersee haben diese Maxime beherzigt. Mehr oder weniger, denn 1% von 5.000 Millionen Dollar ist immer noch 50 Millionen und damit ein einigermaßen nennenswertes Erbe.

Ein großer Teil der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und der Verfassung richten sich gegen Adelsprivilegien. Amerikaner sollten keine angeborenen Vorteile genießen. So können die Geldfürsten Amerikas nicht daran interessiert sein, dass ihre quasi-adelige Stellung durch dynastische Weitergabe von bizarren Riesenvermögen allzu sichtbar wird. Die meisten Kinder von Herzögen und Baronen sind darauf eingestellt, dass sie als einfache Junker in den pursuit for happieness einsteigen werden. In den Briefen an Gates und Buffet wird immer wieder zugegegeben, dass kein Mensch ein Vermögen von tausenden von Millionen Dollars für sich ausgeben kann. Ein Lebensstil mit Privatflugzeugen, einem halben dutzend Villen, Kunstsammlungen und 1000,- Dollar Abendessen ist schon für 2-300 Millionen zu haben. Auch, wenn sich Paul Allen, die Nummer eins der Liste, eine Yacht so bauen lässt, wie die NASA gerne ihre Raumschiffe bauen würde oder wenn Larry Ellison ein Kampfflugzeug einem Lamborghini vorzieht, kommt dabei keine ganze Milliarde zusammen. Und die Ausbildung und Sinnsuche der Infanten ist mit 2-3 Millionen sozusagen Portokasse.

Im zweiten Listeneintrag auf thegivigpledge.org stehen Laura and John Arnold

{lhttp://en.wikipedia.org/wiki/John_D._Arnold|en.wikipedia.org/wiki/John_D._Arnoldl}

und ihr Brief enthält einen bemerkenswerten Absatz:


At the Foundation, we focus on areas where
(1) philanthropic investments can lead to solutions that are self-sustaining in the long-term,
(2) we can leverage a relatively small investment to create a large impact on total societal benefit and
(3) the market does not presently yield optimal results, due to inefficiencies, lack of adequate information or other reasons. These guiding principles have led us to invest in a number of areas including education reform, health care, social services and social justice.

Lesen wir da in Punkt 3 tatsächlich, dass die Arnolds keinen 100% Glauben an die segensbringenden Kräfte des Marktes aufzubringen im Stande sind?

John D Arnold hat innerhalb von 8 Jahren aus einer Abfindung von Enron in Höhe von bescheidenen 8 Millionen USD ein Vermögen gemacht, das Forbes auf 4 000 Millionen USD schätzt. Der Mann ist mit 36 Jahren der zweitjüngste Multimilliardär der Forbes-Liste.

Kein Wunder, dass er und seine Gattin Laura sich selbst ein bisschen vor ihrem Einkommenszuwachs erschrecken: We look upon our financial position with a mix of disbelief and humility, .

Immer wieder weisen die Briefschreiber ganz bescheiden darauf hin, dass sie einfach nur Glück hatten.

Nicht alle lassen sich indes von ihrem Vermögen erschrecken.

Larry Ellison ist wie immer lakonisch:


To whom it may concern,

Many years ago, I put virtually all of my assets into a trust with the intent of giving away at least 95% of my wealth to charitable causes. I have already given hundreds of millions of dollars to medical research and education, and I will give billions more over time. Until now, I have done this giving quietly – because I have long believed that charitable giving is a personal and private matter. So why am I going public now? Warren Buffett personally asked me to write this letter because he said I would be “setting an example” and “influencing others” to give. I hope he’s right.

Möge mich der Leibhaftige holen aber ist Larry nicht ein erstklassiger Kandidat für das Echtleben-Vorbild für Tony Stark, den Iron Man?

Ganz im Gegensatz zu Bill und Melinda Gates, die sich ganz besonders ausführlich auslassen:


Parents all over the world do their best to give their children great opportunities. They work to give their children every chance to pursue their own dreams. etc etc etc

Fest steht: “Wenn ichs schon mal habe, will ich auch was damit machen.” Eine Nutzung, die man als wohltätig durchbekommt, sichert die Milliardenressourcen und fühlt sich dabei auch noch gut an. Eine Stiftung verhindert erst mal, dass der Staat die Kohle schmälert. Da Stiftungsgelder durchaus gewinnbringend angelegt werden, kann man auch wohltun, ohne den Bestand abzuschmelzen. Man nehme ein paar Milliarden schlau angelegte Stiftungsgelder und schon kann man Jahr für Jahr Millionenbudgets für tolle Projekte in aller Welt ausgeben, ohne, dass sich das Kernvermögen verflüchtigt. So hatte die Bill und Melinda Gates Stiftung 2005 einen Jahresetat von 1 Milliarde Euro (Quelle: {lhttp://www.sueddeutsche.de/kultur/das-wirken-der-bill-gates-stiftung-gates-euch-denn-jetzt-besser-1.437401|sueddeutsche.del} ) Dabei betrug damals das Stiftungsvermögen immerhin ca. 30 Milliarden USD.

Jetzt lasst uns alle, alle Gutes Tun

So spenden die Reichen US-Amerikaner also schon immer den Teil ihrer Vermögen, den sie nicht für sich selbst verbrauchen können und seit thegivigpledge.org wissen wir das auch alle.

Aber nehmen wir doch einmal einfach an, dass die Superreichen tatsächlich jetzt beginnen würden, große Teile ihrer Vermögen in [e einen e] Topf zu werfen. Die meist unvollständigen Pressemeldungen zum Giving Pledge provozieren sicher bei Vielen Rechnungen wie diese:

50% von 40 mal durchschnittlich 15 Milliarden macht: 300 Milliarden USD.

Da die Praxis lehrt, dass kaum ein spendender Milliardär nur die Hälfte seines Vermögens in Stiftungen unterbringt, schlage ich vor, wir rechnen mit 500.000 Millionen Dollar.

Die UNESCO beschreibt ihren eigenen Haushalt so:

Die UNESCO finanziert sich hauptsächlich aus den Pflichtbeiträgen ihrer Mitgliedstaaten. Der reguläre Zweijahreshaushalt 2010-2011 beträgt 653 Millionen US-Dollar(http://www.unesco.de/101.html).

Andere UNO-Institutionen, die Welthungerhilfe und Konsorten stehen nicht groß anders da. Unter den internationalen nicht-privaten Organisationen können nur die Weltbank und der IWF mit Zahlen aufwarten, die sich mit dem Aufkommen des Giving Pledge vergleichen ließen.

Nehmen wir weiter an, dass eine solche Organisation eine gewisse Sogwirkung entfalten würde.

Hierzulande wird bereits jetzt diskutiert, wie man denn unsere Superreichen dazu bringen könnte, ebenfalls so wohl zu tun. Sagen wir mal, Alt-Europa, Japan und später Südamerika, Russland und China würden ihre Milliardäre ebenfalls dazu bekommen, wie Gates oder Buffet zu verfahren.

Die erste Billion ist die schwerste aber sicher in ein paar Jahren machbar. Am durch Steuermilliarden wiederhergestellten Finanzmarkt professionell angelegt, bringt das sicherlich den Gegenwert der staatlichen Entwicklungshilfe aller G8-Staaten zusammengenommen als Jahresetat.

Eine internationale Organisation von so ganz neuem Typus bräuchte freilich auch eine international wirkende Webadresse. Wie wäre es denn mit:

world-government.org

… ? Natürlich nicht vergessen: diverse ähnlich klingende und Tippfehlerdomains mitregistrieren!
http://weltregierung.org/ ist leider schon registriert, dabei nicht mal ganz unlustig aber schon seit längerem ungepflegt. Auch http://worldgovernment.org ist bereits besetzt. Herr Garry Davis ist nicht mehr der Jüngste und schließlich will man ja auch, dass alle Menschen freundlich sind. Pazifismus ist sicherlich kein Hinderungsgrund, der neuen Weltregierung zumindest ehrenhalber anzugehören. Die Unterzeichner des Giving Pledge sind Geschäftsleute und Geschäftsleute wissen: Münzen und Speere klappern nicht gleichzeitig.

Nein: es kann einer Weltregierung der wohltätigen Reichen nicht um gewaltsame Machtergreifung gehen. Gewalt bedeutet Zerstörung von Investitionen und Infrastruktur und vor allem: Unsicherheit. Anarchie und Umsturz macht Verträge unwirksam, Verträge, die man braucht, um in der Position zu bleiben, in der man Gutes tun kann.

Besonders Bill Gates wird nicht müde, die mystische Verbindung von Kapitalismus und Demokratie zu preisen. Zwar fällt es wohl auch ihm schwer, die Verbindung zwischen diesen beiden von Ihm selbst stets hochgehaltenen Erstrebungszielen auch in China zu erkennen. Aber er ist sicher, dass der Mythos Kapitalismus==Demokratie sich letztlich auch in Politbüro der KPC herumsprechen wird.

Mit einem Giving Pledge, wie ihn die deutschen Medien andeuten und beschreiben, könnten er, Warren und die anderen guten Jungs und Mädels jedenfalls gleich ein demokratisches Modell für ihre eigene Weltregierung.org entwickeln. Was für eine schöne Herausforderung! Wie wollen wir es denn machen?

Leider scheint es ein Problem zu geben mit dem, was traditionell als "e;Demokratie"e; bezeichnet wird: {lhttp://www.dallasfed.org/research/pubs/ftc/meltzer.pdf|dallasfed.org/research/pubs/ftc/meltzer.pdfl} auf Seite 14 dieses PDF lässt der Ökonom und Milton Friedman-Schüler Allan Meltzer durchblicken, dass Einkommen und Wählerstimmen nicht proportional verteilt sind. Vulgo: der Hartzer hat eine Stimme, der Milliarden-Spender hat auch eine. Auf world-government.org kann diesem Übel kreativ begegnet werden. Niemand wird sich wundern oder aufregen, wenn einige Stimmrechte nach Einlage verteilt sind. Man kann dabei auch ganz klassisch Basisdemokratisch werden:

  1. Projekte aus aller Welt bewerben sich um Fördermittel.
  2. Ein Board of Directors, bestellt von den Spendern, wählt aus, was interessant erscheint.
  3. Experten der Gates-Stiftung, namhafte Ökonomen aus Chicago und ein paar Thinktanks ermitteln, was machbar und nachhaltig ist.
  4. Alle, alle Menschen dürfen darüber abstimmen, was von den Projekten, die übrig bleiben, in die Praxis überführt wird.

Wollen wir mit freiem Informationsaustausch experimentieren und in Südamerika Computer verteilen, auf denen frei verteilbare Software läuft, Internetanschlüsse finanzieren und die Ausbildung von Programmierern, die dann im www machen dürfen/sollen, was sie wollen? Oder wollen wir ein paar tausend Tonnen patentiertes Saatgut von Monsanto kaufen, damit die Landwirtschaft in afrikanischen Großbetrieben mehr Arbeitsplätze und Vermögen generiert?

Wie wird wohl die Prüfung der Direktoren nach Neigung und der Experten nach unumstößlichen wissenschaftlichen Wahrheiten ausfallen? Sollten überhaupt beide Pläne zur Endabstimmung aufgestellt werden oder gibt es sachliche Bedenken gegen einen der beiden Pläne?

Ozzy ist anders

…zum Beispiel ist er kein Milliardär. Damit ist auch nicht mit einem Brief von Sharon und Ozzy Osbourne auf thegivingpledge.org zu rechnen. Viel mehr als die paar Millionen, die die Erstunterzeichner nach der Spende noch übrig haben, werden bei den Osbournes erst einmal nicht zu holen sein. Ozzy selbst als einer der größten lebenden Beatles-Fans weiß natürlich, dass Paul McCartney seiner von Deindustrialisierung gebeutelten Ex-Heimatstadt Liverpool sowas wie eine Musikschule spendiert hat. Möglicherweise wird er auch irgendwann was in der Richtung unternehmen oder er erinnert sich an seinen 1980er Song "Mother Earth" und lässt ein Milliönchen bei Greenpeace fallen.

Sicher ist nur, dass seine Black Rain CD von 2007 wider Erwarten ein sehr guter Kauf war. Dank Zakk Wild hat die Platte das, was Ozzy immer schon gebraucht hat, um wirklich gut zu sein: ebenbürtige Musiker in der Band. Wie sich seine Stimme durch das Humbuckergemetzel von Wilde sägt, ist immer wieder schön anzuhören aber das ist nicht alles. Während die Briefe auf thegivingpledge.org eher einförmig wirken, bietet Black Rain erstaunlich viel Abwechslung. Und dabei halten die gelegentlichen Ausflüge ins 21. Jahrhundert der Popmusik einen soliden Abstand zu peinlichem "Das wollen die Kids heute hören, Ozzy"-Mist.

Und Ozzy hat sogar rein zufällig was zum Thema Geld zu sagen: "How could you fuck us all over? Rape, steal and murder. God bless the almighty dollar"

Wen meint er nur? Vielleicht diejenigen, die seit 30 Jahren um jeden Preis jeden Dollar an sich reißen, der durch die Arbeit von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Arbeitern entsteht und irgendwie verfügbar, das heißt: nur von Schwächeren festgehalten wird?

We feel very lucky to have the chance to work together in giving back the resources we are stewards of. By joining the Giving Pledge effort, we’re certain our giving will be more effective because of the time we will spend with this group. We look forward to sharing what a wonderful experience this has been for us and learning from the experience of others.

Best Wishes,

Bill and Melinda Gates

Epilog

Als ich das erste Mal vom Giving Pledge hörte, dachte ich, dass die Aktion gerade hier ein ein durchschlagender Erfolg werden würde. Alle Welt würde verlegen gestehen, dass die Superreichen eben doch lieb sind oder doch meist lieb sein können und dass man nun auch aufhören sollte mit den garstigen und jetzt auch undankbaren Debatten über Spitzensteuersätze, Vermögenssteuer etc. Genauso, wie es nur wenige gibt, die Ozzy wirklich zu schätzen wissen, dachte ich, dass es wohl kaum jemanden gäbe, der die systemischen Probleme der frommen Gesten von Bill, Warren und Kollegen sehen und aussprechen würde.

Aber es scheint sich doch mehr zu bewegen, als ich dachte. Zwei von drei Kommentatoren lassen durchblicken, dass die Geste ja schön und gut und sicher vielleicht auch gut gemeint ist, dass man aber nicht vergessen sollte, dass die demokratisch legitimierten Staatswesen für die Wohltaten zuständig sein sollten. Und dass sie dafür Steuermittel benötigen, die wiederum durch das Abschöpfen von Spitzenvermögen legitim beschaffbar wären. Selbst aus der CDU kamen Stimmen in dieser Richtung und die Medien interviewten erstaunlich oft Linkspolitiker, die dann auch in schöner Ausführlichkeit erklären durften, warum private Wohltätigkeit kein Ersatz für gesetzlich verbriefte Rechte auf menschenwürdige wirtschaftliche Verhältnisse für alle sein können.

Also besonders an die Medien: nicht schlecht, meine Damen und Herren, nur immer weiter so! Und wenn nächstes Mal irgend ein Hedge Fonds Eurer Redaktion an die Gurgel geht, könnt ihr sagen: "Wenigstens haben wir die Lumpen nicht auch noch für den Friedens-Nobelpreis vorgeschlagen."

endbild
Fitting perfectly well into the colours of a meadow since the late Cretaceous. Some 130 million years of learning can do wonders, methinks...